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von Rainer Stockfisch
Hier lesen Sie die wahre Geschichte der politischen Ereignisse in Gosen und Neu Zittau der Jahre 1990 und 1991. Die immer wieder kolportierte Befürchtung, dass Gosen ein "Museumsdorf der Stasi" werden könne, hatte zu keinem Zeitpunkt Bestand.
Bestandsaufnahme und Entwaffnung
Mitte Januar 1990 gründete sich auf Initiative der seit Herbst 1989 bestehenden Gosen-Neu Zittauer Ortsgruppe des "Neuen Forum" ein Bürgerkomitee zur Auflösung der drei großen Objekte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA). Das betraf in Gosen das Objekt der Funkaufklärung an der Storkower Straße, dem heutigen Einkaufszentrum Müggelpark, sowie den Komplex in den Gosener Bergen mit Agentenschule, Bunker- und Ferienanlage. Weiterhin befand sich in der Gemeinde Neu Zittau ein ca. 50 ha große Funkempfangsgelände auf dem Kesselberg. Das Bürgerkomitee organisierte mit Unterstützung des Berliner Bürgerkomitees des "Neuen Forum" die Entwaffnung und Offenlegung der Strukturen. Grundlegendes Ziel war es, diese Liegenschaften einer friedlichen und zivilen Nutzung zuzuführen.
Weichenstellung für Müggelpark bereits 1990
Ende Januar 1990 wurde dann in einer Kampfabstimmung von Bürgerkomitee und Gemeindevertretung mit 13 dafür, 7 dagegen und 5 Enthaltungs-Stimmen der Rechtsträgerwechsel des MfS-Objektes Storkower Straße beschlossen. Das Ziel war die Gründung einer GmbH, an der die Gemeinde Gosen mit 30% beteiligt ist. Als Pächter des Geländes sollte diese Gesellschaft das Gelände, den heutigen Müggelpark, einer zivilen gewerblichen Nutzung zuführen. Nach langwierigen Verhandlungen mit mehreren Interessenten wurde zudem Ende März 1990 unter Federführung des Bürgerkomitees der Komplex Gosener Berge der Humboldt-Universität zu Berlin zugesprochen. Der Neu Zittauer Kesselberg verblieb dagegen unter Kontrolle des Bürgerkomitees und befand bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 im Bestand der letzten DDR-Regierung.
Bürgerkomitee erhielt die meisten Stimmen
Die Mitglieder des Bürgerkomitees, hier besonders die Initiatoren des "Neuen Forum", erhielten zur Kommunalwahl im Mai 1990 in Gosen und auch in Neu Zittau die meisten Stimmen, stellten die stärkste Fraktionen sowie die jeweiligen hauptamtlichen Bürgermeister. In Gosen hatte das "Neue Forum" fünf Gemeindevertreter, gefolgt von jeweils vier der CDU und SPD, sowie zwei der PDS.
Jetzt begannen die Mühen des Zurechtfindens in einem sich verändernden System. Bürgerbeteiligungen, Ausschüsse in der Gemeindevertretung und Perspektiven für den Ort zu entwickeln, das waren die vorrangigen Hauptziele der neuen Gemeindevertretungen. Um der sich abzeichnenden Ämterbildung entgegen zu wirken, gab es in dieser Zeit mit der damals noch eigenständigen Nachbargemeinde Wernsdorf Versuche einer Zusammenarbeit und später auch Überlegungen eines Zusammenschlusses der drei Orte.
"MASSA-mobil" war erster Erfolg
Handels- und Leasing Gesellschaft (HLG), so nannte sich die GmbH die das Objekt Storkower Straße gepachtet hatte. Deren private Geschäftsführer hatten neben der Abwicklung dieser MfS-Liegenschaft und dem Verkauf des Inventars bald erste Erfolge in der Gewerbeansiedlung und konnten somit das Anliegen der Gemeinde Gosen mit ihrem 30prozentigen Hauptgesellschafteranteil weitestgehend berücksichtigen. So eröffnete Anfang August 1990 unter schwierigsten Bedingungen "MASSA-mobil" auf dem Gelände einen improvisierten Markt-Verkauf. Schon im April 1990 entstanden die ersten Autohäuser. In der Folgezeit wurden erste Vorbereitungen für einen Umbau des Geländes zum jetzigen Müggelpark entwickelt. Die Entwürfe wurden mit der Gemeindevertretung und dem beauftragten Planungsbüro intensiv beraten. Die Gosener Berge entwickelten sich leider nicht erwartungsgemäß. Die Humboldt-Universität konnte nicht die vorgesehenen Fachrichtungen Ökologie und Biologie etablieren, sondern nur ein Tagungs- und Kongress-Zentrum einrichten. Das Neu Zittauer Objekt Kesselberg wurde erst im Juli 1991 ebenfalls einer zivilen Nutzung zugeführt worden.
Spektakuläre Abwahl des Bürgermeisters
Das Ziel des "Neuen Forum" sowie des ehemaligen Bürgerkomitees, die örtlichen ehemaligen MfS-Objekte in eine zivilen Nutzung zu überführen, war mit der Findung von Investoren bis Mitte 1991 erreicht. Die Gemeinde Gosen veräußerte auch daraufhin ihre Anteile an der HLG-GmbH.
Erst Ende September 1991, nach den beschriebenen Weichenstellungen, Beschlüssen und Erfolgen, wurde der bis dahin nicht in Erscheinung getretene SPD-Gemeindevertreter Horst Buch, nach vorangegangener spektakulären Abwahl des hauptamtlichen Bürgermeisters Rainer Stockfisch (Neues Forum), als einziger Kandidat von der verbliebenen Gemeindevertretung, intern zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt.
So, jetzt kennen Sie die wahre Geschichte.
Rainer Stockfisch
(ehem. Sprecher des Bürgerkomitees des "Neuen Forum" und ehemaliger Bürgermeister der Gemeinde Gosen)